Station 3

Meine Familie schaut mehr auf den Nachlass als auf mich

Unter ökonomischer Gewalt oder finanzieller Ausbeutung im häuslichen Bereich versteht man Handlungen, die andere Familienmitglieder finanziell schädigen oder ausnützen.

Betroffen sind häufig ältere, meist hilfsbedürftige Menschen. Wenn sie aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr in der Lage sind, ihre Geldangelegenheiten selbst zu erledigen oder mit den automatisierten Bezahlsystemen nicht zurechtkommen, dann übernehmen Angehörige oder andere Vertraute diese Geschäfte. Nicht immer handeln diese Personen mit gutem Willen.

Die älteren Menschen werden durch die Tatsache, dass die Pensions- und Sparguthaben von anderen verwaltet werden, in eine finanzielle Abhängigkeit gedrängt. So kann ihnen zunehmend der Zugang zum Konto, zum Pflegegeld oder zu den eigenen Rücklagen entzogen werden. In der Folge werden keine oder nur zu wenig Geldmittel für Haushaltsanschaffungen, Freizeithobbys oder Reisen zur Verfügung gestellt. Viele Ausgaben für Gegenstände, mit denen sich ältere Menschen eine Freude bereiten wollen, werden als unnötig oder schädlich verweigert. Selbst grundlegende Gegenstände wie Brillen, Hörgeräte oder bestimmte Nahrungs- und Genussmittel, Hygieneartikel bzw. Einrichtungsgegenstände werden nicht angeschafft oder erneuert.

Andererseits können die vermeintlichen Vertrauenspersonen Geldmittel für eigene Zwecke abzweigen, indem sie die Verfügungsmacht über die ihnen anvertrauten Ressourcen ausnutzen oder die Bereitschaft der älteren Menschen, finanzielle Unterstützung zu leisten, missbrauchen. Manchmal treiben sie es sogar so weit, dass sie die älteren Angehörigen dazu überreden, Kredite aufzunehmen oder Bürgschaften zu unterschreiben.

Alter Mann auf rotem Stuhl in dunklem Raum

Neben den laufenden Einnahmen hat eine wachsende Anzahl älterer Menschen einen gewissen Wohlstand erworben und besitzt Sparkonten mit höheren Beträgen, Wertpapiere oder Immobilien. Das führt zur Ungeduld mancher Erb:innen und dem Versuch, sich Vermögenswerte noch zu Lebzeiten anzueignen oder mit Druck und Erpressung überschreiben zu lassen. Mit moralischem und psychischem Druck, z.B. der Drohung, Kontakte zu den Enkelkindern zu unterbinden, drängen diese Familienmitglieder darauf, ihnen Geld oder Eigentum „freiwillig“ zu überlassen.

Da es als Privatsache angesehen wird, wie eine Familie ihre Geldangelegenheiten regelt, gibt es eine hohe Dunkelziffer an finanzieller Ausbeutung und diese Missbräuche dringen nur selten nach außen.

Daneben gibt es aber auch kriminelle Betrügereien durch fremde Personen, wofür soziale Vereinsamung, aber auch Leichtgläubigkeit einen Nährboden bilden. So geschieht Erberschleichung nicht nur durch Verwandte, sondern auch durch Personen, die sich das Vertrauen mit vorgetäuschter Hilfsbereitschaft und Zuneigung erschlichen haben.

Sie schotten alte Menschen immer stärker von ihren bisherigen Kontaktpersonen ab und üben subtilen Druck aus, indem sie Notfälle vortäuschen oder ein mögliches Ende der Beziehung andeuten, um sich Immobilien überschreiben, Sparbücher aushändigen oder ein Testament zu ihren Gunsten verfassen zu lassen.

Betrügerische Organisationen machen sich den Respekt älterer Menschen vor Polizei und Justiz und die Angst vor Diebstahl bzw. Verlust von Wertgegenständen zunutze und bringen sie trickreich mit falschen Erzählungen dazu, ihre Ersparnisse oder wertvollen Schmuck herauszugeben. Für die Opfer bedeuten diese Handlungen nicht nur den Verlust von Vermögen, oft wird ihnen die wirtschaftliche Grundlage und die Selbständigkeit entzogen. Sie verlieren mit den nötigen finanziellen Mitteln ihre Lebensqualität und Unabhängigkeit. Scham, Enttäuschung und eine erhebliche Beschädigung des Selbstwertgefühls sind die bitteren Folgen.

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